Freitag, 2. September 2011

Die Kellertreppe oder: Das Geheimnis deutscher Maßarbeit

... Der Schreiner kam im Juli und baute unsere alte, etwas wacklige Kellertreppe aus. Dann fing er an, die neue Treppe einzubauen. Und musste abbrechen. 

Er hatte nämlich zwei senkrecht an der Wand verlaufende Fallrohre beim vorherigen Abmessen übersehen. Diese Aussparungen fehlten bei seiner neuen Kellertreppe beziehungsweise die Konstruktion stimmte hinten und vorne nicht. 

Als er mir das mitteilte, hatte er drei Stunden daran herumgewurschtelt - wohl in der Hoffnung, dass sich das noch irgendwie richtigpfuschen ließe. Als er mir das mitteilte, war er aber auch schon zu der Auffassung gelangt, dass nicht er hierfür verantwortlich war.

Handwerkerkunden-Erkenntnis: Ein deutscher Handwerker findet immer den Fehler woanders, am besten bei einem anderen Handwerker.

Als ich an die Stelle der Unbilden kam, musste er nicht viel reden, denn es war selbst mir sofort klar, dass die Kellertreppe, die in ihrem hellen Kiefer viel zu schön für eine Kellertreppe aussieht, nicht passte. Er zeigt auf die Fallrohre, die dort an der falschen Stelle aus der Wand herauskommen. Die sind Schuld. Ich erkläre ihm über 20 Minuten lang, dass diese Fallrohre zwar neu sind, aber natürlich schon da waren, als er zum Messen hier war.  Die Rohre seien beim Ausmessen noch nicht dort gewesen. 

Eine halbe Stunde Diskutieren. Der Bausanierer als eigentlicher Auftragnehmer wird angerufen und muss schließlich ebenfalls herauskommen. Irgendwann ist dem deutschen Schreiner klar, dass er schlicht nicht richtig gemessen hat, und dass die Rohre sich nicht bösartig seiner Kellertreppe in den Weg gestellt haben. Er ist sauer. Bis zuletzt gibt er den Fehler natürlich nicht zu, klar, er ist ja Handwerker. Nicht, dass er dann nachgibt und kleinlaut versucht, mich Kunden mit einem Schmankerl (zum Beispiel einem Preisnachlass) zufriedenzustellen. Nein, bis zuletzt beharrt er darauf, dass die Rohre auf geheimnisvolle und niederträchtige Weise durch den Klempner an die jetzige Position gebracht wurden. (Nachtrag 2.12.2011: Ein weiteres Beispiel finde ich gerade eben erst: Auch wieder ein Treppen-Schreiner, der nicht messen konnte, und das versucht auf den Handwerkerkunden abzuwälzen ...)

Kundenorientierung auf Handwerkerart

Und doch ringt er sich zu einem kundenorientierten Vorgehen durch und kündigt mit einer Stimme an, als ob ich ihm dafür eigentlich die Füße küssen müsste: Als deutscher Schreinermeister wird er die Treppe aber entsprechend anpassen. Nur dies bedeutet, dass der Neigungswinkel und allerlei anderes angepasst werden müssen, was praktisch eine fast vollständig neue Kellertreppe bedeutet.

Und das geht nicht von heute auf morgen. Er wird die Treppe komplett neu anfertigen müssen, denn der Winkel stimmt nicht und damit passen die Löcher für die Geländerstangen nicht mehr und so weiter. Geschieht ihm recht. Nach der Stahlträgergeschichte gönne ich jedem Handwerker jegliches Übel mit noch einmal mehr Freuden. 

Nicht sein Problem

Da der Schreiner sauer ist, wird er nochmals vier Wochen benötigen, um die neue Treppe anzufertigen. Das ärgert mich wiederum, denn wir können so praktisch nicht in den Keller gelangen. Die Schadenfreude über sein Malheur wiegt jedoch den Ärger auf. Wie wir in den nächsten Wochen in den Keller und wieder heraus kommen sollen? 

Die alte Treppe hat er so völlig zerstört, dass sie nicht wieder reaktiviert werden kann. Im Prinzip interessiert ihn dieses Problem aber auch nicht. Es ist ja nicht seins. Jedenfalls kletterten wir und die Mieter über fünf Wochen (denn solange dauerte die Herstellung der zweiten Treppe letztendlich) über eine normale Haushaltsleiter in einen immer wieder überschwemmten Keller hinunter und hinauf. 2.500 für eine Kellertreppe (unbehandelt, man erinnere sich; inzwischen habe ich sie lackiert). Ein Preisnachlass gab es natürlich nicht. 

Der Frust sitzt tief, wie schon gestern geschrieben.

Das Foto ohne Zusammenhang, aber mit einer Ahnung davon, wie schön das Leben sein könnte, wären da nicht diese Handwerker:

Buga Koblenz
© Vera Kriebel, 12.7.2011


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