Donnerstag, 6. Oktober 2011

Wie man mit der neuen Ausgleichsmasse nicht umgeht - und trotzdem mehr kassiert

Eine - wie fast jede Geschichte, die ihren Ausgangspunkt bei einem Auftrag an einen Handwerker hat - für den Handwerker und sein Wesen paradigmatische Begebenheit:

Der Anfang: Eine neuer Fußboden mit neuem Produkt, der Handwerker kommt (erst nicht, dann doch irgendwann) 

Ein Handwerker kommt, um im Dachgeschoss des neuen Hauses den Boden mit Ausgleichsmasse zu ebnen. PCI hat ein neues Produkt herausgebracht, das nicht nur glättet und Unebenheiten ausgleicht, sondern besonders (auch lärm-) dämmend wirken soll. Das möchte ich auch haben, denn die Decken des neuen Hauses sind aus Holz und daher sehr, sehr hellhörig. 


Fußboden?
© Vera Kriebel, 2010

Der Handwerker, mit dem ich bisher gute Erfahrungen sammeln konnte, nimmt den Auftrag an. Ich bestelle die Säcke selbst, weil ich sie im Internet erheblich günstiger bekomme als der Handwerker in seinem Fachmarkt. Nach drei Terminen, die ich vergeblich auf den Handwerker warte ("Schwiegermutter gestorben", "Kind hat Röteln"), klappt es endlich beim vierten vereinbarten. Ich übergebe den Schlüssel und gehe ins Büro.

Die fluchtartig verlassene Baustelle im Chaos & Handy tot

Nachmittags versuche ich ihn anzurufen, sein Handy ist aber ausgeschaltet. Schließlich mache ich mich auf zum neuen Haus. Der Haustür-Schlüssel liegt auf dem obersten Treppenabsatz (den sollte er behalten, bis alles fertig ist). Kein gutes Zeichen. Und - wer hätte es nicht gedacht?! - im Dachgeschoss liegen offene Mörtel-Säcke herum. Auf dem Fußboden angefangene Flecken mit Ausgleichsmasse. Eine fluchtartig verlassene Baustelle. Offenkundig hatte hier irgendetwas nicht geklappt oder dem Handwerker ist nicht gut gewesen oder die Frau hatte einen Unfall: von glattem und ebenem Fußboden kann hier keine Rede sein. Ich aber habe heute meinen gelassenen Tag, deswegen rege ich mich nur kurz auf und versuche ansonsten konstruktiv zu wirken.

Die Erklärung: Scheiße

Was heißt: Ich versuche den Handwerker zu erreichen. Beim gefühlten 20. Mal gelingt dies. Natürlich nicht am gleichen Tag, sondern Tage später. Großes Palaver. Nach 15 Minuten fruchtlosen Klärungsversuchen, kommen wir endlich argumentativ weiter. Das Material sei Scheiße. Ein Schwall des Zorns ergießt sich über mich. Wenigstens nicht die Frau, und ihm selbst ist auch nichts passiert. Die Ausgleichsmasse hat nicht so funktioniert, wie der Handwerker sich das vorgestellt hat. Das Material ist schuld, natürlich. Er weigert sich, damit weiterhin zu arbeiten. Er weigert sich auch, morgen wiederzukommen. Er verweigert sich. Das kann nicht in meinem Sinne sein, denn ich möchte eigentlich dort oben im Dachgeschoss auch 'mal weiterkommen. Das Telefongespräch endet mit einem beleidigten Handwerker-Zornesschwall gegenüber dem Scheiß-Material. Das hatten wir ja schon.

Das gibt's auch: Kundenorientierung bei PCI!

Ich hänge mich ans Telefon, um mich bei meinem Internet-Lieferanten zu beschweren. Der verweist auf den Hersteller. Den rufe ich an. Bei PCI ist man wider Erwarten mehr als freundlich und hilfsbereit. Man bietet jede erdenkliche Hilfe an. Es ist ein neues Produkt, das auf den Markt gebracht werden will. Da gibt es sogar persönliche Unterstützung durch den PCI-Berater. Ich bin beeindruckt. So kann Handwerk also auch funktionieren. Service- und kundenorientiert.

Jetzt gibt es nur das Problem der Terminvereinbarung. Ich muss meinen Handwerker erreichen und ihn zu einer Terminvereinbarung bringen, die er nicht wieder aus-welchen-fadenscheinigen-Gründen-auch-immer in letzter Sekunde oder - schlimmer noch - im Nachhinein cancelt. Ich erreiche den Handwerker und erkläre ihm, dass PCI extra für ihn jemanden vorbeischickt. Er ist hörbar ebenfalls beeindruckt und fühlt sich - glaube ich herauszuhören - auch etwas geschmeichelt. Außerdem lässt er duchblicken, dass er gerne diesem PCI-Typen 'mal den Marsch blasen möchte, von wegen tolles neues Produkt und so weiter. "Scheiße ist das!" Soll mir egal sein, Hauptsache, wir kommen voran, wenn auch nur millimeterweise. Wir machen einen Termin aus, wobei ich ihm klarzumachen versuche, dass er den jetzt nicht wie gewohnt absagen kann.

Nix High Noon - ein erfolgreiches Date, viel Lob und null Entschuldigung

Unfassbar, aber das Date der beiden klappt direkt beim ersten Versuch. Der Handwerker ist sichtlich geschmeichelt über so viel Aufmerksamkeit. Ich übergebe die Schlüssel und überlasse die beiden sich selbst. Und tatsächlich: Der PCI-Berater zeigt ihm, wie man mit dem Material umgeht - plötzlich geht es. Am Abend ist alles fertig. Der Handwerker ist gut gelaunt und voll des Lobes über die neue Ausgleichsmasse.

Eine Entschuldigung für sein vorheriges Verhalten? Wer glaubt denn so was?! Es ist doch ein Handwerker! Über all das (und über die Arbeit, die ich mit seiner Nicht-Arbeit hatte) wird einfach hinweggegangen.

Lukrative Unfähigkeit: Zur Strafe jetzt aber mehr Geld!

Dafür habe ich zwei Tage später die Rechnung im Briefkasten. 1.200 Euro höher als abgesprochen. Da er Geld will, erreiche ich ihn nun auf Anhieb. Wieso mehr Geld als abgesprochen? Wieder Palaver. Doch schließlich kommt er auf den Punkt: Er will mehr Geld, weil a) die Arbeit eine Strafe gewesen sei, denn er musste ja mit einem ihm unbekannten Material arbeiten, und b) weil ich ihm dies zugemutet habe - und dafür muss ich halt Strafe zahlen. Dass er einfach alles stehen und liegen ließ, verschwand und Tage nicht ans Telefon ging, dass nicht er sich schlau gemacht hat, sondern ich ihm den PCI-Berater besorgt habe … Das wird alles weggewischt.

Es wurmt den Handwerker einfach (obwohl ihn sonst Unfähigkeit oder verpfuschte Ergebnisse überhaupt nicht stören), dass es nicht so lief wie geplant (wenn man das an die Ratio hohe Anforderungen stellende Wort "planen" überhaupt im Zusammenhang mit Handwerkern benutzen darf).

Der Handwerker gibt letztlich mir, dem Kunden, die Schuld für sein Versagen und seine Mehrarbeit. Aber er hätte den Auftrag ja nicht annehmen müssen, es war klar mit was gearbeitet wird, aber natürlich, wie jeder Handwerker, kann er ja mit allem umgehen, auch wenn er nicht einmal den Namen gehört hat und auch sonst überhaupt nicht weiß, was damit wie zu tun ist. Aber nie gibt es ein Problem, nie muss man sich vorbereiten, sich vorher einarbeiten oder eventuell einmal etwas lernen …

© Vera Kriebel, 2011

2 Kommentare:

  1. Heiko KIrchner2. Juli 2013 um 17:31

    Eine wirklich schöne Geschichte die ich so auch glaube.
    Es wird vielleicht mal Zeit einen Bericht " Der Kundenhasser" zu verfassen.
    Denn auch auf der Gegenseite nimmt die Abdurdität und Unverschämtheit rasend schnell zu.

    MfG
    Heiko Kirchner

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    1. habe gerade das gleiche problem -- Fußbodenleger waren da - die Ausgleichmasse ist schief ( 8 mm auf 80 cm ) - wenn da Designer Linoleum drauf sollte - muss ich Holzkeile verwenden um die Möbel garade hinzustellen --- zufriedenheit sieht anders aus

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