Es geht seinen Gang - Der Hausbesitzer ist nicht mehr Guerrillero , sondern Spießer - Der Dachdecker verdient weniger, als er im Fall gekostet hätte
Abschied vom revolutionären Kampf
Heute Morgen ist er gekommen – das heißt: er rief an, weil er meine Hausnummer nicht mehr wusste. Dafür aber war er pünktlich. Eine preußische Tugend, die ich, seit ich mit Handwerkern zu tun haben und stundenlang auf sie warten muss, zu schätzen gelernt habe. Solche Angewohnheiten wie Pünktlichkeit habe ich mal für unerträglich spießig gehalten und wollte dagegen im südamerikanischen Urwald gemeinsam mit der Guerilla ankämpfen.
Als wir beim neuen Haus sind, ist er ehrlich zerknirscht, weil er nicht Finkenberger, sondern Heidelberger Dachziegel mitgebracht hat. "Egal, die Welle ist ja die gleiche." Das muss ich einfach mal so hinnehmen; nur warum wollte er dann überhaupt den Typ wissen, wenn er ihn dann doch nicht benutzt … Nerv. Auch jetzt kann ich auf die Schnelle im Internet nichts dazu finden. Hoffen wir mal, dass es tatsächlich egal ist.
Der Dachdecker fällt nicht und kassiert dafür fürstlich
Der Dachdecker (H5) arbeitet fix. Er hat seinen Bruder mitgebracht, der ihn sichern soll, so dachte ich zumindest. Fakt ist aber, dass er ungesichert auf dem Dach herumklettert, der Bruder macht nichts anderes, als ihm Material anzureichen und ihm wie ich zuzuschauen. Ich hoffe inständig, dass er nicht hier, sondern irgendwoanders fällt. Sein Bruder erzählt treuherzig, dass er schon zweimal gefallen ist, aber Glück gehabt habe, bis auf kleinere Verletzungen kam er mit dem Schrecken davon. Ich hoffe nochmals, dass er nicht gerade hier fällt. Schwarz, unversichert ...
Den Riss in der Dachrinne kann er nicht ausbessern, weil er das entsprechende Material vergessen hat (O-Ton: "ich habe in der letzten Zeit Probleme, Dinge zu behalten." – der Mann ist gerade mal 25). Toll, dann muss er noch einmal kommen …
Aber ansonsten arbeitet er wirklich gut, das heißt, es sieht von unten so aus, letztlich weiß man ja bei Dachdeckern nicht, ob sie gut arbeiten oder nicht, weil man davon nichts sieht und auch das Ergebnis nicht begutachten kann. Zwei Stunden später geht es an die Abrechnung – er ist angestellt, die Frage einer Rechnung kann da erst gar nicht aufkommen, es ist klar, dass er schwarz arbeitet. "Mein Bruder", rechnet er laut vor, "das sind 15 Euro die Stunde". Er selbst nimmt, was man ihm gibt. Auf Nachfragen hin, sind das zusammen mit seinem Bruder 200 Euro, das Material für 245 Euro kommt natürlich noch hinzu. Ich sage nichts und blätter die Scheine hin. Was soll man als Kunde machen?! Wenn eine Dachdecker-Firma kommt, nimmt sie vermutlich 500.
Trotzdem ärgert es mich jetzt noch – Stunden später. Jedes Mal schwöre ich mir, das machst du nie wieder, aber dann mache ich es doch, denn die offiziellen Preise sind noch unverschämter (allerdings habe ich auch noch nie bei einer Firma nachgefragt, bemerke ich jetzt, während ich dies schreibe. Vielleicht nimmt sie also nur 100 … Ein schöner Traum. Vermutlich sind es beim ersten Angebot schon tausend Euro.). Der Bruder ist nicht vom Fach und erhält für Handlangerdienste 15 Euro, der Dachdecker selbst 85 Euro in der Stunde. Wieder frisst sich dieser ungesunde, auf den Magen schlagende Ärger die Speiseröhre hoch. Ich sage mir: "Immer noch billiger, als wenn er vom Dach gefallen wäre. Das hätte richtig Geld und Ärger gekostet."
Morgen soll ein Weltenbummler sein Recht erhalten ...
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