Mittwoch, 18. Mai 2011

Schwarzer Montag 3 – Auch H4 schaut über den Tellerrand der Stahlträger – Handwerker-Psychologie 4  – Unverwässerter Handwerker-Hass

Zur Erinnerung: es ist immer noch Montag. Er, der Bausanierer, schaut sich merkwürdig still die Stahlträger an (und diese winzig kleine Formulierung wird erst sehr viel später geklärt werden), bemerkt, dass gefährlich ja wohl auch die Kellertreppe sei … Ich stimme ihm zu, die ist wirklich sehr wackelig, will aber nicht noch einen Handwerker hier haben aber das sei doch kein Problem, das übernehme er natürlich mit. Er werde einen Schreiner vorbeischicken, damit der sich das anschaue. Wenigstens etwas, was zu klappen scheint. Der Mann wirkt geistig relativ rege und verbindlich und ist zudem auch noch nett.


Zwischendurch ruft der Klempner an er will Dienstag kommen und die Abflussrohre erneuern. Ich bin überfordert ginge nicht auch in der nächsten Woche? Ginge genauso. Er ist flexibel, in Anbetracht eines fetten Batzens Schwarzgeld nicht ohne Grund. Dann kann ich Dienstag einen halben Tag arbeiten, den übrigen Tag kann ich putzen, damit mir die Mieter nicht komplett durchdrehen, die müssen ja in dem Saustall wohnen. Ich biete ihnen im Stillen schon 30 Prozent Mietminderung an. Werde gleich einen hübschen Brief formulieren, den sie bekommen, bevor sie die Wohnungstür öffnen und über ihre Wände, Schränke, Tische und Stühle streichen und den Aschestaub überall finden, bis in die letzte Kleiderschrankecke hinein …

Handwerker-Psychologie 4

Nachdem H4 (der Stahlträger-Bausanierer) weg ist, hoch zu den H3ern, den Rausreißern. Die machen gerade Pause oder Feierabend es ist nicht ganz klar, was von beidem.
Erst jetzt bemerke ich das ganze Ausmaß. Sie haben den Bauschutt ausgerechnet aus dem einzigen Raum nach draußen geworfen, der nicht hätte saniert werden müssen jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher ... Ich stelle in einfachen, aber deutlichen Worten klar, dass damit ab jetzt Schluss ist. Sie nicken demütig.
  • Handwerker-Psychologie 4: Demütiges Nicken ist eine Handwerkergeste, die den Kunden einlullen und ablenken soll, jedoch nie das bedeutet, was sie eigentlich bedeuten soll: Verstehen und Zustimmung.
Der Rest wandert in der Form von Eimern nach draußen, verstanden? Die mit Asche gedämmte Decke ist ihnen in Form von Ruß und Staub entgegengekommen, so dass jetzt die gesamte Wohnung dick von rußigem Schmier überzogen ist. Ich rechne innerlich auch den Mittwoch noch zum Putzen dazu.

Einstürzende Altbauten 2
Im Nebensatz - ich bin schon auf der Treppe - nuschelt der Chef etwas von tragenden Balken. Ich mache auf dem Absatz kehrt: "Was ist mit dem Balken?" - "DEN Balken", verbessert mich der Chef. "Bei zwei der Deckenbalken sieht das nicht so gut aus." "Was heißt: nicht so gut?" Ich werde langsam ungeduldig. Nach viel Palaver - Handwerker quasseln zwar den lieben langen Tag irgendeinen dünnen Brei, nur leider können sie Sachverhalte nicht schildern oder erklären - wird klar: zwei tragende Balken sehen nicht mehr intakt aus. Er will sich nicht festlegen, aber seines Erachtens müssen die ersetzt werden. Es sind übrigens die Holzbalken im Boden des Dachgeschosses. Ich bin begeistert und rufe gleich H4 an. Der ist aber Bausanierer, Balken sind Sache des Zimmermanns, belehrt er mich. Die sind die Könige auf dem Bau, habe ich gehört. Manchmal sieht man sie auch in altmodischen Handwerkskostümen durch die Gegend ziehen. Ich werde mich Morgen früh darum kümmern und hoffe darauf, dass zuhause tatsächlich noch die Flasche Wein auf dem Schrank steht, die ich nachher unbedingt noch benötige.

Unverwässerter Handwerkerhass
Jetzt flüchte ich erst einmal in mein Homeoffice und lasse die Chaoten allein. Den Nachbarn, die sich inzwischen schon zahlreich um mein Haus herum versammelt haben (das ist die Folge all dieser Frühverrentungen im Bergbau und beim Stahl - jetzt lungern die ehemaligen SPD- und jetzigen NPD- oder Nicht-Wähler zu Hause oder am Ballermann herum und geben Verächtliches über "die Kanacken" und gute Ratschläge von sich), vertraue ich mein Haus an. Den Rausreißern schärfe ich ein, mich auf jeden Fall anzurufen, bevor sie wegfahren. Sonst gibt's kein Geld.

Um 20 Uhr Abends habe ich immer noch nichts gehört vom Handwerker. Ich fahre zum Haus, weil sie ja so langsam fertig sein müssten. Eine solche Arbeitseinstellung finde ich aber nun doch ziemlich vorbildlich, wer hätte das von ihnen gedacht. 

Am Haus essen sie nebenan auf dem Balkon zu Abend, eine Gruppe Männer steht palavernd das Bier in der Hand vor dem Eingang - von meinen Rausreißern aber keine Spur. Sie sind weg, einfach weg. Die Nachbarn kommentieren das nicht weiter. Ich schwöre bitterste Rache. "Keinen Cent sollt Ihr von mir kriegen", murmele ich neurotisch in mich hinein. Im Hausflur sieht es chaotisch aus, klar. Aus dem Dachgeschoss und dem Keller haben sie aber tatsächlich fast alles nach draußen geschafft; es liegen nur noch Kleinigkeiten herum. Ich übersehe die Schutthäufchen vor dem Haus und im verwilderten Garten. Wichtig ist, dass der Container abgedeckt und geschlossen wird. Und dann greife ich zu Besen, Eimer und Wischmop und widme mich in den nächsten zwei Stunden der hehren Aufgabe, den Flur wenigstens wieder etwas begehbar zu machen. Morgen werde ich ihn abkleben, nehme ich mir vor - sonst kann ich den auch noch sanieren. Schon jetzt sind überall im Linoleum-Belag und im Holzgeländer Macken. Lediglich nichts zu bezahlen, erscheint mir jetzt aber als ein zu geringes Rachemaß. Die Wut frisst sich immer weiter ins Gedärm und verbittert sich mit jeder Minute des Wischens und Fegens und der steigenden Gewissheit der eigenen grenzenlosen Hilflosigkeit. Purer, reiner, unverwässerter Handwerkerhass steigt die Luftröhre empor.

Den Mietern, zwei alleinstehenden ältere Herren (Sohn und Neffe einer der Nachbarn, wie sich später herausstellt), die sich erstaunlich gelassen geben, verkünde ich gleich die vorhin angedachte Minderung der Miete. Das zaubert ein Lächeln sogar auf ihre freudlosen Gesichter. Der erste schwarze Montag neigt sich wie dieses inzwischen doch recht langatmige Kapitel dem Ende zu.

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